27.01.2023 – Kategorie: Technik & Innovation
Industrielle Stromversorgung: Paradigmenwechsel eingeläutet
Paul Vahle hat das Gemeinschaftsforschungsprojekt „Effidcent“ erfolgreich abgeschlossen, das durch den Einsatz von Gleichstrom anstelle von Wechselstrom eine Steigerung der Energieeffizienz und Nachhaltigkeit in der Industrie zum Ziel hatte.
Gemeinsam mit der TU Dortmund, der TH Ostwestfalen-Lippe (TH OWL), Condensator Dominit und E-T-A Elektrotechnische Apparate forschte der Kamener Technologiepionier seit 2019 für die industrielle Stromversorgung an einer effizienteren Energieübertragung mit einer gleichstrombasierten Stromschiene. Vahle agierte dabei als Konsortialführer. Die Umstellung von Wechselstrom auf Gleichstrom (DC) erwirkt eine Energieeffizienzsteigerung von mehr als 10 %. Gleichzeitig ist der Ressourcenaufwand für die Herstellung gleichstrombasierter Stromschienen gegenüber herkömmlichen Systemen deutlich niedriger. So sinkt der Kupferbedarf um bis zu 50 %.
Industrielle Stromversorgung neu denken
„Die Energiewende ist ein entscheidender Baustein für die Transformation unserer Gesellschaft in Richtung Nachhaltigkeit. Genau in diese Richtung zielen wir mit dem Forschungsprojekt Effidcent, mit dem wir im Ergebnis nicht weniger als einen Paradigmenwechsel in der industriellen Stromversorgung einläuten“, sagt Achim Dries, CEO der Vahle Group.
Gemeinsam mit seinen Partnern entwickelte der Kamener Systemanbieter für mobile Industrieanwendungen in den vergangenen drei Jahren ein gleichstromgespeistes System bestehend aus einem hocheffizienten Gleichrichter, der Stromschiene, intelligenten Energiespeichern zur Rekuperation sowie Sicherheitseinrichtungen. Ziel war es, die Energieeffizienz in Fertigungs- und Produktionsstraßen signifikant zu steigern und netzbedingte Produktionsstillstände zu minimieren, um so den gesamten Fertigungsprozess zu optimieren. Mit der Einbindung der intelligenten Energiespeicher und an der Strecke verteilter Pufferkondensatoren beschritten die Projektpartner technisches Neuland.
CO2-neutrale Industrieproduktion anvisiert
Die Umstellung von Wechsel- auf Gleichspannung erlaubt einerseits eine deutliche Reduzierung des eingesetzten Materials und verspricht andererseits hohe Energieeinsparungen. Im Gegensatz zu Wechselstrom fällt der Leistungsfaktor der Motoren beziehungsweise der Wechselrichter nicht ins Gewicht, sodass die Strombelastung der Leitung erheblich geringer ist. Entsprechend lässt sich der Kupferbedarf einer Stromschiene neben der Einsparung eines Pols auch durch Verringerung des Querschnitts erheblich reduzieren.
Für die Industrie ist laut Dries der Wechsel auf die DC-Technologie ein großer Schritt in Richtung CO2-neutraler Industrieproduktion. Bislang ist dort aufgrund der standardmäßig verwendeten 3-Phasen-400-V-Wechselspannung für jedes Fahrzeug ein eigener Gleichrichter erforderlich, der durch eine zentrale DC-Versorgung entfällt. Durch den Wegfall des Gleichrichters wird eine verlustbehaftete Komponente im Gesamtsystem eingespart, was sich positiv auf den Gesamtwirkungsgrad und damit den Energieverbrauch auswirkt.
Moderne industrielle Stromversorgung gewährleisten
Die DC-Technologie hat weitere Vorteile, die helfen, ein modernes und intelligentes industrielles Stromversorgungsnetz zu errichten. Beispielsweise können Systeme zur Erzeugung und Speicherung von Energie wie Photovoltaikanlagen und Batterien problemlos eingebunden werden, da diese grundsätzlich mit Gleichspannung arbeiten. Bremsenergie lässt sich direkt speichern und ohne verlustbehaftete Umwandlung in Wechselstrom voll nutzen. Ein weiterer Pluspunkt ist die durch den Speichereinsatz gegebene hohe Systemverfügbarkeit: Durch Pufferbatterien ist ein unterbrechungsfreier Weiterbetrieb von DC-Anlagen möglich. Damit kann auf aufwendige unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV) verzichtet werden. Auch fallen Zusatzinvestitionen zur Netzfilterung und Kompensation weg. Eingebaute intelligente Energiespeicher fangen Lastspitzen ab, die durch Beschleunigungsprozesse auftreten, sodass die elektrische Anschlussleistung geringer ausfallen kann und die AC-Netze entlastet werden.
Im Rahmen des Forschungsprojekts wurde eine 80 m lange DC-Testanlage parallel zu einer bestehenden AC-Anlage in Betrieb genommen. Bei Verwendung von Gleichstrom konnte eine Energieeinsparung von mehr als 10 % nachgewiesen werden.
Starke Partner
Vahle war neben der Konsortialführung für die Systemauslegung, die Simulation sowie den Aufbau der Versuchsanlage verantwortlich. Die TH OWL übernahm die Errichtung des hocheffizienten Einspeisers, mit einer gegenüber einem Standardgleichrichter um 35 bis 40 % höherem Leistungsfaktor.
Für die Erforschung des intelligenten Energiespeichers zur Aufnahme der Bremsenergie zeichnet die TU Dortmund verantwortlich. Durch die Nutzung der Bremsenergie mittels intelligenter Speicher steigt der Wirkungsgrad des Gesamtsystems. Möglich wurde das durch den Einsatz von effizienten Energiespeichern, sogenannten Ultracaps, die die Bremsenergie kurzfristig speichern und anschließend geregelt wieder abgeben können. Das sichere Einschalten von Gleichstromanlagen gestaltet sich aufgrund hoher Einschaltströme aufwendig. Daher wurde ein auf Gleichstromanwendungen zugeschnittenes Schutz- und Vorladekonzept mit E-T-A Elektronische Apparate entwickelt.
Für die Unterstützung des Vorhabens bedankt sich Vahle bei der Europäischen Union und dem Land Nordrhein-Westfalen. Ein weiterer Dank für die gute Zusammenarbeit gilt dem Projektträger Jülich.
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