06.09.2022 – Kategorie: Technik & Innovation

Interne CO2-Preise: Klare Anreize setzen, um Emissionen zu senken!

Unternehmen aller Branchen geraten unter Druck, sich tatsächlich für mehr Nachhaltigkeit zu engagieren. Ein Ansatzpunkt, um CO2-Emissionen einzusparen, sind die eigenen Lieferketten. Dafür braucht es ökonomische Anreizsysteme – wie etwa interne CO2-Preise.

Autoren: Dr. Sebastian Moritz, Dr. Maximilian ZottTWS Partners (Vorstellung am Ende des Beitrags)

Die Zeiten, in denen unverbindliche Zielsetzungen zur Senkung von CO2-Emissionen für ein grünes Image gereicht haben, sind vorbei. Der Druck auf Unternehmen, ihre Emissionen erheblich zu reduzieren und damit einen echten Beitrag zu einer klimaneutralen Wirtschaft zu leisten, wächst stetig. Klimaschutzgesetze, nationaler und europäischer Emissionshandel sowie die Einführung von CO2-Grenzausgleichssystemen sind nur die ersten Vorboten. Interne CO2-Preise können eines von vielen probaten Gegenmitteln sein.

Larry Fink: „Climate Risks are Investment Risks”

Früher oder später werden Unternehmen durch staatliche Regulationen dazu gezwungen sein, die Emissionen in ihrer Lieferkette drastisch zu reduzieren. Schließlich besteht der überwiegende Emissionsanteil der meisten Unternehmen aus „Scope-3-Emissionen“ – also jenen, die durch Herstellung, Transport und Nutzung des Produkts freigesetzt werden.

Diese Emissionen werden fast vollständig von der Lieferkette verursacht oder beeinflusst. Zusätzlicher Druck kommt von Seiten der Investoren – wie etwa von Larry Fink, dem CEO des weltgrößten Vermögensverwalters Blackrock, in seinem „Letter to CEOs 2022“. Er kommt aber auch verstärkt von Seiten der Kunden – und nicht zuletzt von der eigenen Belegschaft.

Für Unternehmen stellt die Nicht-Beachtung dieser Signale ein gewaltiges finanzielles Risiko dar. Es bedarf deshalb systematischer Lösungsansätze. Denn es ist nicht davon auszugehen, dass Zulieferer die damit verbundenen Lasten der Transformation allein tragen werden. Mittels gezielter Anreizsysteme für Lieferanten und ganzheitlichen Systemen, mit denen kosteneffiziente Einsparmaßnahmen identifiziert werden, können Unternehmen aber schon heute die Weichen für eine ökologisch und ökonomisch nachhaltige Beschaffung stellen.

Vergleichbarkeit neu definieren

Angesichts der steigenden Kosten, die mit CO2-Emissionen einhergehen, reicht es nicht mehr aus, bei der Auswahl von Lieferanten nur den Preis und die Qualität zu berücksichtigen, um eine ökonomisch sinnvolle Entscheidung zu treffen. Emissionen müssen deswegen zwingend in zukünftige Vergabeentscheidungen integriert und Lieferanten bezüglich der Gesamtleistung in den Bereichen Preis, Qualität und CO2-Abdruck verglichen werden.

Natürlich ist es nicht offensichtlich, mit welcher Gewichtung CO2 in die Vergabeentscheidung mit eingehen soll. Sowohl die Unternehmen als auch die Lieferanten tasten sich derzeit noch an das Thema heran. Es stellt sich also die Frage, wie Emissionen graduell berücksichtigt werden können, sodass sowohl das Unternehmen selbst als auch die Zulieferer an die wahren Kosten von CO2 und die damit verbundenen Konsequenzen herangeführt werden können.

Von qualitativen Kriterien hin zu Anreizsystemen

Als Startpunkt bietet es sich an, qualitative Kriterien zu berücksichtigen. Hat ein Lieferant heute bereits Transparenz über seine Emissionen? Hat der Zulieferer sich zur Klimaneutralität verpflichtet? Und noch wichtiger: Hat er einen Plan, diese Absicht auch wirklich umzusetzen? Diese qualitativen Kriterien legen bereits das Augenmerk der Lieferanten auf Nachhaltigkeit. Dennoch sind sie nur ein allererster Schritt. Spannend wird es überall dort, wo der Einkauf echte Konsequenzen zieht, wenn solche Kriterien nicht erfüllt sind. Dort, wo Lieferanten zukünftig von Ausschreibungen ausgeschlossen oder – im Vergleich mit flexibleren Mitbewerbern – mit einer spürbaren Negativbewertung (Malus) belegt werden.

Dritter Faktor: Bem Einkauf von Waren und Leistungen müssen Unternehmen zunehmend auf den „carbon footprint“ der georderten Produkte oder Services achten – zusätzlich zu Qualität und Preis. Grafik: TWS

Noch weiter gehen Vorreiter auf diesem Gebiet. Sie bepreisen schon heute die Emissionen ihrer Lieferanten mit einem internen „Preis“-Äquivalent pro Tonne CO2. Lieferanten, die entsprechend mehr CO2 als ihre Wettbewerber verursachen, erhalten so einen „Malus“ in der Vergabeentscheidung. Lieferanten mit grünen Produkten hingegen wird ein „Bonus“ gewährt.

Dieser monetäre Bonus oder Malus entspricht einer Zahlungsbereitschaft für CO2-Reduktionen und wird mit dem Angebotspreis verrechnet, sodass Lieferanten anhand eines um die CO2-Kosten adjustierten Preises verglichen werden. Unternehmen geben also nicht nur an, dass sie den CO2-Fußabdruck ihrer Lieferanten qualitativ berücksichtigen, sondern sie kommunizieren verbindlich, wie viel teurer ein Produkt sein kann, das eine Tonne CO2 weniger verursacht.

Was sind adäquate CO2-Preise?

Den „richtigen“ internen CO2-Preis herzuleiten, ist erfahrungsgemäß alles andere als trivial. Die Zahlungsbereitschaft für CO2-Einsparungen ist von Unternehmen zu Unternehmen verschieden und wird von vielen Einflussfaktoren bestimmt: Zu welchen CO2-Einsparungen hat sich das Unternehmen verpflichtet? Fallen bereits heute oder in der nahen Zukunft regulatorische Kompensationszahlungen an? Wie hoch ist das Potential, CO2-Einsparungen zu realisieren?

Einen ersten Anhaltspunkt für einen internen CO2-Preis können die Kosten für freiwillige Kompensationszahlungen bieten. Die Logik ist wie folgt: Jede Tonne CO2, die nicht vermieden werden kann, muss über CO2-Zertifikate aus Klimaschutzprojekten ausgeglichen werden, wenn ein Unternehmen „klimaneutral“ sein möchte.

Solche Ausgleichszertifikate sind relativ günstig zu haben, Allerdings werden sie aus vielen Gründen nicht als vollwertiger Ersatz für echte Reduktionen gesehen. So hat sich in der Klimaschutzstrategie die Hierarchie „Vermeiden – Reduzieren – Kompensieren“ als Grundsatz etabliert. Dieser Logik folgend muss der interne CO2-Preis also höher sein als die Kosten für freiwillige Ausgleichszahlungen.

Eine Obergrenze für den internen CO2-Preis lässt sich definieren, indem die durch den Ausstoß einer Tonne CO2 entstehenden gesellschaftlichen Kosten internalisiert werden. Dies ist vor allem für die öffentliche Beschaffung relevant. Entsprechende Studien liegen etwa vom Umweltbundesamt vor, die für 2021 die Tonne CO2-Äquivalent mit mindestens 201 Euro bewertet haben.

Eine weitere gängige Praxis ist es, sich am europäischen Emissionshandelssystem EU ETS zu orientieren, bei dem aktuell um die 80 Euro pro Tonne CO2-Äquivalent fällig werden.

Beispielrechnung: So entstehen faire CO2-Preise

Am folgenden Rechenbeispiel wird deutlich, wie interne CO2-Preise in einem konkreten Einkaufsprojekt angewendet werden könnte: Zulieferer A bietet ein Produkt für 9.800 Euro an, Zulieferer B für 10.000 Euro. Dabei verursacht Zulieferer A Emissionen von 12 Tonnen CO2-Äquivalent, Zulieferer B hingegen nur 9 Tonnen. Veranschlagt der Einkäufer einen CO2-Preis von 100 Euro pro Tonne, bekäme Zulieferer A also einen Malus von 1.200 Euro, Zulieferer B hingegen von 900 Euro.

Im Gesamtverrechnungspreis hat Zulieferer A also mit 11.000 Euro das schlechtere Angebot als Zulieferer B mit 10.900 Euro.

Den Start wagen, um Anreize zu setzen

Der Ansatz, CO2 mit einem internen Preis zu versehen, setzt klare Anreize, schon heute in grüne Lösungen zu investieren. Er signalisiert verbindlich, dass das Unternehmen bereit ist, für dieses umweltfreundliche Verhalten des Zulieferers auch zukünftig eine Prämie zu zahlen. Diese Sicherheit erlaubt es wiederum den Anbietern, ihrerseits in grüne Lösungen zu investieren – eine Win-Win-Situation für alle.

Natürlich ist es eine komplexe Angelegenheit, den internen CO2-Preis zu bestimmen – auch weil dieser Preis nicht über mehrere Jahre konstant sein wird, aber in vielen Bereichen schon heute Einkaufsentscheidungen bis in das Jahr 2030 hinein zu treffen sind. Viele Unternehmen stehen derzeit noch ganz am Anfang – und haben (noch) keine Zahlungsbereitschaft für grünere Lieferketten. Gerade deshalb aber ist jeder CO2-Preis, egal wie niedrig er am Anfang sein mag, ein vernünftiger Startpunkt. Er wird sich allerdings über die Zeit zwingend an den wahren Kosten für CO2, denen ein Unternehmen regulationsbedingt ausgesetzt sein wird, annähern müssen.

Wer zu spät kommt…

Viel wichtiger für das Einkaufsmanagement ist aber der Umkehrschluss. Ein Unternehmen, das nicht sehr schnell bereit ist, seinen Zulieferern verbindlich zu signalisieren, dass grüne Lösungen nicht nur wichtig, sondern auch „echtes Geld wert“ sind, wird keine Anreize zu Innovationen und Investitionen in seiner Lieferkette setzen. Im schlimmsten Fall tun dies dann die Wettbewerber.

In Märkten, in denen grüne Lösungen noch für lange Zeit ein knappes Gut sein werden, kann nur derjenige erfolgreich sein, der dies frühzeitig erkannt hat. Beispiele finden sich in jeder Industrie – wie der Mangel an grünen Baustoffen, Verpackungen, Energieträgern oder Transportflotten nur zu deutlich zeigt.

Unsere Autoren:

Dr. Sebastian Moritz hat in Supply Chain Management promoviert. Er ist heute Managing Partner bei der Unternehmensberatung TWS Partners und als Experte für den strategischen Einkauf, angewandte Industrieökonomik sowie Market Design verantwortlich.

Dr. Maximilian Zott ist Projektleiter bei TWS Partners und verantwortlich für den Bereich Nachhaltigkeit und CO2-Emissionen. Er hat am Lehrstuhl für Statistik an der Universität Würzburg promoviert

Teilen Sie die Meldung „Interne CO2-Preise: Klare Anreize setzen, um Emissionen zu senken!“ mit Ihren Kontakten:


Scroll to Top