04.05.2022 – Kategorie: Wirtschaft & Politik
Russlands Energieexporte im Krieg: weniger Menge, viel mehr Umsatz – und Deutschland bleibt größter Abnehmer
In den zwei Monaten seit Beginn des Ukraine-Kriegs hat Putins Staatskasse noch lauter geklingelt als vorher: Russlands Energieexporte in die EU haben sich im Geldwert fast verdoppelt – bei deutlich weniger Liefermenge an Öl, Gas und Kohle.
Diese Grafik ist unbarmherzig: Auf einen Blick macht sie klar, warum deutsche Politiker in der Ukraine derzeit keine gern gesehenen Gäste sind – im Unterschied zu Staatsgästen aus den USA, Polen oder Indien.
In den zwei Monaten seit dem 24. Februar, dem Einfall der russischen Truppen in die Ukraine, hat allein Deutschland mehr als 9 Milliarden Euro an Russlands Rohstoff-Großkonzerne überwiesen – für deren Exporte an Öl, Gas und Kohle. Damit ist das Land weltweit der mit Abstand größte Abnehmer fossiler Energieträger aus Russland. Es folgen Italien mit 6,9 Milliarden, China mit 6,7 Milliarden, die Niederlande mit 5,6 Milliarden, die Türkei mit 4,1 Milliarden und Frankreich mit 3,8 Milliarden Euro.
Insgesamt haben Russlands Energie-Giganten wie Gazprom, Rozneft, Lukoil und weitere in den ersten Monaten des Kriegs glänzende Geschäfte gemacht. Der russische Gesamtumsatz mit Energieabnehmern aus aller Welt belief sich auf 62 Milliarden Euro – also mehr als 30 Milliarden pro Monat. 44 Milliarden dieser Unsumme für Russlands fossile Energien stammten aus den Kassen der EU-Länder – also mehr als 70 Prozent.
Zum Vergleich: Im Gesamtjahr 2021 hatte der Energieexport Russlands bei rund 140 Milliarden Euro gelegen. Im Durchschnitt waren im vergangenen Jahr also „nur“ 12 Milliarden Euro pro Monat. an die russischen Fossil-Oligarchen geflossen – bei ungleich niedrigeren Preisen als zuletzt in der „Kriegswirtschaft“.
Diese beängstigenden Zahlen hat am 27. April das finnische Analyse-Netzwerk CREA vorgelegt. Internationale Energieforscher halten sie – bei durchaus möglichen Unschärfen – für methodisch akzeptabel und inhaltlich glaubwürdig. Die Bundesregierung und die EU-Kommission wollten die finnische Studie nicht kommentieren. Aber offen kritisiert oder abgelehnt wurde die CREA-Daten weder in Brüssel noch in Berlin.
Russlands Energie-Oligarchen und ihr Befehlshaber im Kreml haben diese immensen Exporterlöse mit wesentlich geringeren Energie-Liefermengen erzielt als in den Monaten vor der Invasion. Die Bemühungen der EU- Länder, allen voran Deutschlands, die reinen Mengen an fossilen Brennstoffen, die sie aus Russland beziehen, so stark wie möglich zu reduzieren, zeigen zwar durchaus Wirkung: In den ersten drei April-Wochen sank die gelieferte Menge an Erdöl um 20 Prozent, verglichen mit den Monaten Januar und Februar. Die Kohle-Importe gingen sogar um bis zu 50 Prozent zurück.
Russlands Energieexporte stabilisieren Putins Macht
Die Rekordpreise an den Spotmärkten aber machten für die Exporteure diese „Verluste“ mehr als wett. Ihre Gewinne stiegen sprunghaft an – und damit wohl auch die Steuern, die sie an die russische Staatskasse abzuführen haben.
Nichts zeige deutlicher als diese Katastrophenbilanz, schrieb die britische Tageszeitung GUARDIAN, wie extrem schwer es Europas Staatenwelt und Wirtschaft jetzt und in Zukunft fallen werde, sich aus dem Würgegriff der Abhängigkeit von Russlands Energieexporten zu befreien. „Fossile Energieexporte“, urteilte der finnische Chefanalyst Lauri Myllyvirta in der Zusammenfassung des CREA-Berichts, „sind die Hauptantriebsfeder des Putin-Regimes.“
Deutschland sucht raschen Ausweg aus der Abhängigkeit
Für den deutschen Wirtschaftsminister Robert Habeck sind Informationen wie die in der finnischen Studie schlicht ein weiterer Beleg: Das Festhalten an den fossilen Energieträgern aus Russland in Deutschlands Wirtschaft und Politik war schon seit Jahren grundfalsch. Umso stärkere Anstrengungen unternimmt er seit Beginn des Krieges, die deutsche Abhängigkeit von Putins Energieriesen abzuschütteln.
Er scheint dabei auch voranzukommen: Glaubt man den Zahlen in dem zweiten „Fortschrittbericht Energiesicherheit“ seines Ministeriums, dann ist der Anteil russischen Erdöls am deutschen Gesamtverbrauch von 35 Prozent im Vorjahr auf nun 12 Prozent gesunken. Ähnliche Erfolgszahlen bei der Steinkohle: Hier ist laut Bericht die „Russland-Quote“ am deutschen Import von 50 auf nunmehr 8 Prozent gefallen.
Selbst beim Erdgas nennt der Habeck-Report überraschende Erfolgszahlen: Die Abhängigkeit vom Import aus Russland ist auch hier schon deutlich gesunken – von durchschnittlich 55 Prozent in 2021 auf nunmehr 35 Prozent. Aber auch das ist noch mehr als ein Drittel des Gesamtverbrauchs. Den abrupten Ausstieg aus den russischen Lieferverträgen könnte die deutsche Wirtschaft noch immer kaum verkraften.
Und welchen Preis diese Fortschritte bisher gekostet haben und noch kosen werden – dazu sagt der BMWK-Bericht vorsichtshalber noch gar nichts.
Titelgrafik: CREA, Financing Putin´s war, April 2022
Teilen Sie die Meldung „Russlands Energieexporte im Krieg: weniger Menge, viel mehr Umsatz – und Deutschland bleibt größter Abnehmer“ mit Ihren Kontakten:
Zugehörige Themen: