06.09.2022 – Kategorie: Produkte & Lösungen

Transformation der Energieversorgung 2: flexibel anpassen, digitalisieren, Förderoptionen nutzen

Der zweite Teil des Beitrags zeigt auf: Die operative Umsetzung des Energieumbaus im Unternehmen ist in der Praxis oft mühsam und lästig – aber unumgänglich. Die gute Nachricht: Neue Förderangebote helfen, die notwendigen Investitionen zu bewältigen.

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Unser Autor: Pavel Kusch – 3EC (Vorstellung am Ende des Beitrags)

Unternehmen sind derzeit mit einer Vielzahl an disruptiven Herausforderungen konfrontiert, die den Umgang mit Energie maßgeblich beeinflussen. Sie machen die umfassende Transformation vieler Prozesse in der Beschaffung von Energie dringend erforderlich.

Die wichtigsten Herausforderungen sind:

  • krisenanfällige, volatile Energiemärkte, die unkalkulierbare Risiken bergen und preislich auf einem historisch hohen Niveau liegen
  • Sicherstellung der Versorgungssicherheit
  • klimapolitischer Druck zur Dekarbonisierung der Wertschöpfungsketten
  • verschärfte Stakeholder- und Shareholder-Anforderungen an die Transformation der Wertschöpfungsketten, um einen nachhaltigen, effizienten und verlässlichen Energieeinsatz zu sichern und exakt nachzuweisen

Die Risiken der Wärmeversorgung – und wie sie sich vermeiden lassen

Die aktuelle Gasmangellage gilt zurzeit als größte Herausforderung dafür, die betrieblichen Prozesse aufrecht zu erhalten – sowohl kostenkalkulatorisch als auch physisch. Zwar hat bisher noch niemand die nationale Gasnotfallstufe ausgerufen. Dennoch sind lokale Versorgungsengpässe und damit einhergehend Abschaltungen von Verbrauchern durchaus zu befürchten. Der Notfallplan Gas der Bundesregierung sieht diese Vorgehensweise und hoheitlich angeordnete Maßnahmen durch die Bundesnetzagentur explizit vor.

Aus dieser Situationsanalyse lassen sich wesentliche Kernfragen herausarbeiten:

  • Wie hoch ist das individuelle Risiko der Lieferunterbrechung eines Unternehmens hinsichtlich Netzanbindung, Gasqualität und regulatorischer Bedingungen?
  • Wie lässt sich das Risiko einer Lieferunterbrechung finanziell und versorgungstechnisch reduzieren?
  • Wie ist die Abschalt-Reihenfolge für das individuelle Unternehmen?
  • Wie sehen die Marktbedingungen kurz- bis mittelfristig aus? Zu welchen Bedingungen wird Erdgas zur Verfügung stehen? Was sind die Risikofaktoren?
  • Wie kann kurzfristig die Abhängigkeit von Erdgas reduziert werden? Was sind die alternativen Energieträger? Wie ist die Verfügbarkeit und zu welchen wirtschaftlichen Bedingungen kann deren Einsatz erfolgen?
  • Wie kann die Energieeffizienz im Unternehmen erhöht werden?
  • Mit welchen Maßnahmen kann ein Unternehmen mittel- bis langfristig auf einen CO2-freien Energieeinsatz umgestellt werden?

Nachhaltige Strategien müssen für diese Fragen – jetzt mehr denn je! – Lösungen finden, um in Zukunft weiterhin wettbewerbsfähig zu sein und den drohenden Gefahren zu entgehen. Der stärkste Druck zur Entkopplung von fossilen Abhängigkeiten lastet dabei ganz ohne Frage auf dem Bereich „Wärmeversorgung“. Wir haben ein massives Problem bei erneuerbarer Wärme und deren Effizienz!

Transformation ohne zu hohe Technologie- und Kapitalbindung

Die aktuelle Krisensituation verleitet viele Unternehmen zu Maßnahmen, die kurzfristig zwar effektiv sein mögen – langfristig jedoch einen technischen und/oder finanziellen Lock-In-Effekt bewirken können. Damit behindern sie eine koordinierte, nachhaltige Transformation und führen nachfolgend wieder zu vermeidbaren Mehrkosten. Investitionen in Energieanlagen aber sind immer langfristig angelegt; entsprechend gut sollten sie analysiert und optimiert werden.

Die langfristige Preis- und Versorgungssicherheit eigener, lokal erzeugter und erneuerbarer Energie stellt den größten Benefit bei Investitionen in zukunftsfähige Energiesysteme dar. Auf der Erzeugerseite sollten alle lokalen Potenziale de Eigenversorgung ausgeschöpft werden, ehe über Direktlieferverträge mit Anlagenbetreibern eine langfristige und direkte Versorgung durch definierte erneuerbare Energieanlagen sichergestellt wird – passend zum eigenen Bedarfsportfolio.

Transformation zu erhöhter Energieeffizienz

Im Bereich der Elektrizität lässt sich dies noch relativ gut bewerkstelligen. Geht es aber um die Substitution von Erdgas, sind kreative Lösungen gefragt. Im energetischen Erdgas-Einsatz steht man als Energieverantwortlicher im Unternehmen vor zwei zentralen Fragen:

  1. Ist das Temperaturniveau, das heute durch den energetischen Einsatz von Erdgas in meinem Betrieb erzielt wird, wirklich unbedingt notwendig?
  2. Welche Möglichkeiten gibt es, ein definiertes Temperaturniveau mit Hilfe anderer Technologien und Verfahren zu erreichen?

Die Energieeffizienz zu steigern, bedeutet: mit weniger Input (= Energieeinsatz) den gleichen Output zu erzielen – etwa die Beheizung von Hallen- und Büroflächen oder die Erzeugung von notwendiger Prozesswärme. Einen ersten Ansatzpunkt, dabei unnötige Kosten zu vermeiden, bieten bereits identifizierte Maßnahmen in Energieaudit-Berichten und digitalen Energiemanagement-Systemen.

Voraussichtlich am 1. Oktober 2022 wird die Verordnung zur Sicherung der Energieversorgung über mittelfristig wirksame Maßnahmen (EnSimiMaV) in Kraft treten. Sie macht es Hausbesitzern allr Art, die ihre Gebäude mit Gas heizen, erstmals zur Pflicht, die Sparmaßnahmen, die in Energieaudits identifiziert wurden und wirtschaftlich vertretbar sind, auch wirklich umzusetzen.

Allerdings erwarten Fachleute, dass dabei ein Problem zutage treten kann: Die thematischen, analytischen und technischen Schwerpunkte, die in früheren Audits gesetzt waren, haben nicht selten bestimmte Maßnahmen, die aus heutiger Sicht sinnvoll sind, entweder gar nicht identifiziert – oder sie als unwirtschaftlich bewertet. Damit dürfte es wohl in vielen Fällen erforderlich werden, eine erneute Begutachtung und Evaluation durchzuführen.

Transformation: oft schwierig – aber unumgänglich

Auf der Output-Seite, insbesondere bei der Prozesswärme, haben viele Unternehmen bisher weniger Optimierungen durchgeführt als auf der Input-Seite. Die Ursache dafür sind vielschichtig: Da ist zum einen die fehlende Bereitschaft, einwandfrei funktionierende Systeme zu ändern („never change a running system“). Zum anderen fehlen oft finanzielle Anreize, die Produktionsprozesse und entsprechende Anlagen so anzupassen, dass der Energie-Input für das benötigte Temperaturniveau wirklich auf das erforderliche Mindestmaß gesenkt wird.

Am besten lässt sich das anhand eines konkreten Beispiels erläutern: Eine Lackiererei verwendet, um die notwendige Viskosität der Farbe mittels Erwärmung zu erzielen, den Brennstoff Erdgas. Denn nur mit ihm lassen sich, so die langjährige Erfahrung, die benötigten hohen Temperaturen erreichen.

Doch da auch Lacke stetig weiterentwickelt werden, sind möglicherweise bereits neue Versionen verfügbar, die sich schon bei viel niedrigeren Temperaturen gut verarbeiten lassen. Die aber lassen sich mit Hilfe von hybriden Wärmepumpen-Heizsystemen (ggf. ergänzt mit elektrischen Zusatzheizungen) und minimalen Anpassungen am Lackiersystem erzielen. So wird es möglich, das Erdgas als Wärmequelle zu ersetzen.

Im besten Fall kann das durch lokal erzeugten erneuerbaren Strom geschehen, in anderen vielleicht durch den Einsatz von grünem – sprich: CO2-freiem – Wasserstoff. Dafür sind oft neue Maßnahmen und Technologien erforderlich, die den firmeneigenen Bilanzkreis überschreiten und die Integration in lokale Energieverbund-Netzwerke erforderlich machen. Solche lokalen oder regionalen Verbundsysteme können interessante Synergien nutzen und neue Energiespar-Potenziale erschließen. Sie müssen dazu allerdings über hohe technische und regulatorische Kompetenzen verfügen.

Neue Förderangebote unterstützen die Transformation

Ähnlich verhält es sich in vielen industriellen Prozessen – und häufig auch im „kleineren“ gewerblichen Energieeinsatz. Aufgrund der Komplexität und der Vielzahl an Ansatzpunkten erfordern solche Transformationsmaßnahmen koordinierte Vorgehensweisen entlang der gesamten Wertschöpfungskette, um zur optimalen Lösung zu führen.

Eine sorgfältige analytische Vorgehensweise, wie in Teil 1 beschrieben, ist dabei essenziell. Auch die professionelle Beratung wird übrigens– was viele nicht wissen – durch die öffentliche Förderung unterstützt. Bis zur Hälfte der Beratungskosten übernimmt die Förderstelle des Bundes.

Erst kürzlich wurde die „Bundesförderung für Energie- und Ressourceneffizienz in der Wirtschaft (EEW)“ ausgerufen: Sie soll Unternehmen dabei unterstützen, die benötigte Prozesswärme durch Innovationen bei der Energieeffizienz und Dekarbonisierungs-Maßnahmen zu erreichen. Die Förderung adressiert gewerblich tätige Unternehmen ebenso wie Kommunen, freiberuflich Tätige und gemeinnützige Organisationen.

Sie beinhaltet differenzierte Förderprogramme für energieeffiziente Modernisierungen und den Einsatz erneuerbarer Energie – mit einem starken Fokus auf den Bereich Wärme. Die geförderten Maßnahmen reichen von technischen Lösungen in Anlagen und Systemen über Mess- und Regelungstechnik bis hin zu Dienstleistungen bei der Erstellung der CO2-Bilanz und der Erarbeitung von individuellen Transformationskonzepten.

Neue Abhängigkeiten unbedingt vermeiden

Die grundlegende Transformation des Wärmesektors im Unternehmen erfordert zumeist langfristige Investitionen in alternative Lösungen. Das bedeutet nicht selten: Es muss eine individuelle, detaillierte und ganzheitliche Betrachtung und Analyse des lokalen Energieeinsatzes erfolgen. Denn nur so lassen sich die kosten- und energieeffizientesten – und damit nachhaltigen – Lösungen finden, die wirklich eine Entkopplung von der Erdgasabhängigkeit erlauben.

Von größter Bedeutung ist es dabei, neue Abhängigkeiten bei den alternativen Lösungen entweder von vornherein zu vermeiden oder sie zumindest auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Denn kurzfristige Fehlentscheidungen in diesen Fragen führen nahezu zwangsläufig dazu, dass es – wegen des langfristigen Charakters der Energie-Investitionen – in späteren Jahren zu erneuten hohen „Reparaturkosten“ kommt.

Ohne zertifizierte Berater keine finanzielle Förderung

Zu bewerkstelligen ist diese Transformation durch die optimierte Abstimmung hybrider Energiesysteme mittels interdisziplinärer holistischer Analyse. Neben den verfügbaren technischen Lösungen gilt es, die Energielieferverträge und Beschaffungsstrategien genau aufeinander abzustimmen und anzupassen. Flexibilität durch die Integration von digital steuerbaren Erzeugern und Verbrauchern oder auch Speichern wird dabei eine zunehmende Werthaltigkeit beigemessen.

Voraussetzung zur Inanspruchnahme der Bundesförderung ist in jedem Fall die Involvierung BAFA-zertifizierter Energieeffizienzexperten. Denn nur zugelassene Effizienzberater wie 3EC und andere sind berechtigt, die Antragstellung zu begleiten und die erforderlichen qualifizierten Analysen durchzuführen.

Unser Autor:

Pavel Kusch ist einer der Gründer und Partner in dem energiewirtschaftlichen Beratungshaus 3Energy Consulting (3EC) in Isernhagen bei Hannover. Als Wirtschaftsingenieur mit dem Schwerpunkt Energiewirtschaft und Umwelttechnik war er auch in der wissenschaftlichen Forschung tätig, u.a. an der Hochschule Osnabrück.


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