15.08.2022 – Kategorie: Technik & Innovation

Wasserstoff-Import: Deutschland muss sich jetzt um Partner kümmern, um 2030 „H2-ready“ zu sein

Um seinen Bedarf an klimaneutralem Wasserstoff zu sichern, wird Deutschland die „Zukunftsenergie“ in großen Mengen importieren müssen. Wie das möglich ist, ohne in neue Abhängigkeiten zu geraten, zeigt eine acatech-Studie.

Für die Mitglieder der Forschungsinitiative ESYS („Energiesysteme der Zukunft“) stellt „grüner Wasserstoff“ ein Schlüsselelement der Energiewende in der Wirtschaft dar. Besonders für die Dekarbonisierung und Klimaneutralität der Industrie und des Verkehrs in Deutschland halten führende Wissenschaftler*innen aus den Akademien acatech und Leopoldina ihn für völlig unverzichtbar. Der Bedarf wird ihren Berechnungen nach stetig steigen – von derzeit unter 2 Terawattstunden (TWh) pro Jahr auf 50 bis 100 TWh in 2030 und auf 420 bis 700 TWh im Jahr 2045. Zur Deckung wird Wasserstoff-Import in großem Stil unverzichtbar sein.

Hohe Wasserstoff-Importrate erwartet

Nur zu einem kleinen Teil, so erwarten es die Autorinnen und Autoren der Analyse „Optionen für den Import von grünem Wasserstoff nach Deutschland bis zum Jahr 2030“, wird dieser Bedarf durch Herstellung im eigenen Land zu decken sein. Zwar hat die aktuelle „Ampel-Regierung“ den Ausbauplan zur Wasserstoff-Elektrolysekapazität in Deutschland von früher 5 auf nunmehr 10 Gigawatt (GW) bereits verdoppelt. Dennoch ließe sich damit nach den aktuellen Erkenntnissen maximal ein Drittel der benötigten Menge im eigenen Land erzeugen.

Experten der acatech, der Leopoldina und der Akademieunion haben analysiert, von wem Deutschland künftig Wasserstoff beziehen könnte – und auf welchen Wegen das sinnvoll und machbar ist.

Damit ist klar: Der weitaus überwiegende Teil des Wasserstoffs (und seiner Derivate wie Ammoniak und Methanol) muss aus dem Ausland kommen – aus EU-Ländern ebenso wie von Lieferanten außerhalb Europas. In unterschiedlichen Berechnungs-Szenarios liegt die erwartete Importquote zwischen 50 und 90 Prozent. Zwar sind alle diese Szenarios mit hohen Unsicherheits-Faktoren belastet. Doch unstrittig ist: Der Wasserstoff-Import wird im nächsten Jahrzehnt den Großteil der benötigten Menge ausmachen.

Die Folgerung der Studie lautet: Wenn diese Seite der Entwicklung schon so klar ist, dann muss Deutschland ab sofort alles darangehen, eine tragfähige Start-Infrastruktur für die H2-Importe aufzubauen. Nicht noch einmal darf es – wie beim vorwiegend russischen Erdgasimport – passieren, die Pipeline-Infrastruktur so einzurichten, dass sie nahezu zwangsläufig zu Abhängigkeiten führt, die später teuer zu bezahlen sind.

Wasserstoff-Import muss auf vielen Beinen stehen

Die kürzlich veröffentlichte Analyse zeigt: Grundsätzlich dürfte es kein Problem sein, die benötigten Importmengen an Wasserstoff zu beschaffen. Allerdings müssen dafür schon jetzt dringend die richtigen Weichen gestellt werden – infrastrukturell und rechtlich ebenso wie unternehmerisch.

Die ESYS-Fachleute sprechen sich dabei explizit nicht für eine dominante Import-Option aus – weder in der Auswahl geografischer Lieferregionen noch bei den möglichen Transportwegen. Sie zeigen im Gegenteil auf, dass eine ganze Reihe von Optionen einen Beitrag zum künftigen Wasserstoff-Import leisten können – schon bis 2030, aber auch darüber hinaus.

Deutlich macht die Studie auch eines: Die Distanz, über die der Transport des Wasserstoffs nach Deutschland organisiert werden muss, ist nicht zwangsläufig der treibende Faktor. Vielmehr müssen neben Kostenüberlegungen auch andere, qualitative Kriterien herangezogen werden: Umweltwirkungen, schon bestehende Infrastrukturen und Kriterien zur politisch-rechtlichen Umsetzbarkeit und Sicherheit.

So ist die Studie HySupply, eine Gemeinschaftsaktion der acatech mit dem Bund der Deutschen Industrie (BDI), schon seit Januar 2021 dabei, die Vor- und Nachteile einer Wasserstoff-Partnerschaft zwischen Australien und Deutschland im Detail zu analysieren. Erste Zwischenergebnisse sind vielversprechend, Ende des Jahres wird die Studiengruppe ihren Abschlussbericht vorlegen.

Transportoptionen: Reiner Wasserstoff per Pipeline, Syntheseprodukte via Schiff

Sowohl der Transport per Schiff als auch der über Pipelines ist möglich. Er eignet sich aber – je nach Verwendung und Transportdistanz – nicht für jeden Zweck gleichermaßen: Reiner Wasserstoff etwa lässt sich gut mittels Pipelines transportieren. Doch der Aufbau neuer Pipelines bis 2030 wäre organisatorisch aufwändig, teuer und langwierig. Durch eine Umrüstung oder die Trassennutzung bestehender Erdgas-Infrastrukturen ließen sich nicht nur Kosten einsparen, sondern vor allem Planungs- und Umsetzungszeiten verkürzen.

Für Syntheseprodukte wie Ammoniak und Methanol bietet sich hingegen der Transport via Schiff an: Dort gibt es bereits bestehende Produktions- und Transportstrukturen, die sich sofort nutzen ließen. Das Transportgut sollte dann jedoch, den Empfehlungen der Studie folge, direkt als Syntheseprodukt genutzt werden. Denn den gebundenen Wasserstoff wieder zu extrahieren, wäre energetisch ineffizient und teuer.

Übersicht der analysierten Transportoptionen für Wasserstoff

Aufmacherbild: Adobe Stock


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