03.05.2022 – Kategorie: Produkte & Lösungen
Wasserstoffzug: „Mobilität muss dazu beitragen, weniger Treibhausgase auszustoßen!“
Am 5. Mai 2022 stellt Siemens Mobility seinen Wasserstoffzug Mireo Plus H der Öffentlichkeit vor. Die ersten Züge mit dem umweltfreundlichen Brennstoffzellen-Antrieb sollen ab 2023 in den Probebetrieb gehen.
Im Kampf gegen die Klimakrise kommt der Mobilität der Zukunft eine Schlüsselrolle zu. Um klimaschädliche Emissionen möglichst rasch zu senken, sind neue technologische Konzepte gefragt. Eines davon ist der Antrieb mit Wasserstoff und Brennstoffzelle – vor allem für große, schwere Fahrzeuge auf Schiene und Straße.
Im Projekt „H2goesRail“ haben der Hersteller Siemens Mobility und der Betreiber Deutsche Bahn ein neues Gesamtsystem entwickelt – aus einem klimafreundlichen Wasserstoffzug einerseits und einer bahn-geeigneten Tankstelle für den „grünen“ Treibstoff andererseits. Warum die Wasserstoff-Technologie für die Zukunft des öffentlichen Personenverkehrs eine so wichtige Rolle spielt, erklärt im Interview Albrecht Neumann, der CEO Rolling Stock bei Siemens Mobility.
Herr Neumann, der Klimawandel ist die große Herausforderung unserer Zeit. Alternative Mobilitätskonzepte rücken immer mehr in den Mittelpunkt. Warum ist dabei der Fokus auf die Schiene wichtig?
Wenn es um die Reduzierung von CO2-Emissionen geht, kommt dem Mobilitätssektor eine besonders Verantwortung zu. Denn hier ist eine enorme Hebelwirkung zu erwarten. Die Elektrifizierung des Schienenverkehrs auch dort, wo noch kein „voll-elektrisches Leitungsnetz“ liegt, ist dabei entscheidend. Die „Allianz pro Schiene“, in der sich über 170 Unternehmen aus der Eisenbahnbranche mit vielen Non-Profit-Verbänden zusammengeschlossen haben, hat ein klares Ziel formuliert: Das deutsche Schienennetz soll bis 2025 zu 70 Prozent elektrifiziert sein. Diese Herausforderung ist nur zu schaffen, wenn wir dafür neue Lösungen finden.
Von welchen Herausforderungen ist die Rede?
Nicht alle Strecken können über Oberleitungssysteme mit elektrischer Energie versorgt werden. Vor allem auf Strecken mit vielen Tunnel und Brücken wird die Installation einer Oberleitung schwierig, teuer und zeitaufwändig. Ein 100-prozentig elektrifiziertes Schienennetz wird in Deutschland und Europa vorerst ein Traum bleiben. Deshalb müssen wir auch für die nicht-elektrifizierten Teilstrecken umweltfreundliche Lösungen finden.
Und daran arbeiten Sie zurzeit?
Ja. Es gibt längst „hybride“ Züge, die hauptsächlich elektrisch fahren, aber umstellen können, wenn sie Streckenabschnitte überbrücken müssen, die nicht elektrifiziert sind. Andere – wie der Mireo Plus H – sind speziell auf längere, nicht-elektrifizierte Strecken ausgelegt. Das Besondere an ihm ist der Wasserstoffantrieb. Konkret: Statt direkt aus der Oberleitung zieht der Antrieb seine elektrische Antriebsenergie aus einer Brennstoffzelle, die mit Wasserstoff aus Tanks auf dem Dach gespeist wird. Eine mächtige Lithium-Ionen-Traktionsbatterie unterstützt die Brennstoffzelle beim Fahren und nimmt „rekuperativ“ Bremsenergie auf. Das Ergebnis: lokal emissionsfreie Mobilität, wo bisher Dieselloks fahren.
Welche konkrete Anwendungsgebiete habe sie im Auge?
Wasserstoffzug: genauso leistungsstark wie Dieselloks – auch auf bergigen Strecken
Bis jetzt gab es nur geeignete Lösungen für kurze Strecken im Batteriebetrieb und für relativ flache Landschaften. Der Wasserstoffantrieb spielt seine Stärken dort aus, wo die Streckentopologie anspruchsvoller wird oder die nicht-elektrifizierten Strecken länger werden.
Ist Wasserstoff also auch im Bahnbetrieb der Treibstoff der Zukunft?
Ja, das kann man so sagen. Die Vorteile liegen auf der Hand: Grüner Wasserstoff ist ein erneuerbar erzeugter Rohstoff. Der Antrieb ist sehr geräuscharm und genauso leistungsfähig wie herkömmliche Antriebe. Das wissen noch nicht alle – da gibt es noch Vorurteile, die wir ausräumen müssen. Für Betreiber sind auch die geringen Wartungskosten interessant: Brennstoffzellen haben im Vergleich zu Dieselmotoren keine bewegten Teile und unterliegen keinem mechanischen Verschleiß. Das vereinfacht ihre Wartung erheblich, und die Betreiber können ihre Lebenszykluskosten spürbar senken.
Der Umstieg auf Wasserstoff lohnt sich also nicht nur für die Umwelt, sondern auch für die Betreiber?
Davon sind wir überzeugt. Die Gesamtbilanz muss natürlich den Preis für – wo immer möglich grünen! – Wasserstoff berücksichtigen. Der ist heute noch teurer als Dieselkraftstoff. Aber wir gehen davon aus, dass sich das in zwei, drei Jahren nachhaltig verändern wird. Deshalb wollen wir Bahn-Unternehmen den Umstieg auf Wasserstoffantriebe schon jetzt so attraktiv wie möglich machen. Wir schaffen für unsere Kunden ein „Rundum-Sorglos-Paket“, das den Wasserstoffzug, seine Wartung und seine Infrastruktur umfasst.
Wann und wo fahren die ersten Wasserstoffzüge?
Wir arbeiten im Projekt „H2goesRail“ eng mit der Deutschen Bahn zusammen. Die DB entwickelt dafür die Bahn-typische Infrastruktur: Sie baut die Wasserstofftankstelle und kümmert sich um die Treibstoffversorgung. Wir sind stolz darauf, mit dem Mireo Plus H einen wichtigen Beitrag leisten zu können. 2023 gehen wir auf der Strecke Tübingen-Horb-Pforzheim in Baden-Württemberg und Anfang 2024 in Bayern zwischen Augsburg und Füssen in den Probebetrieb.
Wasserstoffantrieb auch attraktiv für den internationalen Eisenbahn-Markt
Dass der Hersteller seinen „elektrischen Zug ohne elektrische Oberleitungen“ nicht nur für den deutschen Markt entwickelt hat, versteht sich von selbst. Denn hierzulande ist der weitaus größte Teil des Schienennetzes ohnehin längst leitungs-elektrifiziert. Im europäischen und weltweiten Ausland hingegen sind noch in vielen Gegenden hauptsächlich Benzin- oder Dieselgetriebene Loks unterwegs.
Diese attraktiven Märkte für den eigenen Wasserstoffzug will sich Siemens Mobility natürlich möglichst rasch erschließen. Im Herbst wird der Mireo Plus H deshalb auf der InnoTrans 2022 In Berlin zu sehen sein – der weltweit größten Messe für Eisenbahntechnik.
Aufmacherbild: Siemens Mobility
Teilen Sie die Meldung „Wasserstoffzug: „Mobilität muss dazu beitragen, weniger Treibhausgase auszustoßen!““ mit Ihren Kontakten:
Zugehörige Themen: